Schutz für Ungeschützte
Verkehrsexpertentag der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland e.V. (VOD) am 18. November 2025 in Münster
„Die Straßen gehören nicht den Schnellsten, sie gehören uns allen.“
In seiner Grußbotschaft an rund 100 Fachleute aus Wissenschaft, Verbänden, Verwaltung und Polizei stellte Oliver Krischer, Verkehrsminister des Landes NRW, die Weichen für den Verkehrsexpertentag der VOD.
Moderiert wurde die Tagung von Kirsten Lühmann, Präsidentin der Deutschen Verkehrswacht.
Ihre zentrale Frage an alle Fachleute im Raum lautete: Mit welchen Maßnahmen können Menschen, die bei Kollisionen mit motorisierten Fahrzeugen ohne Schutz sind, besser geschützt werden?
Dr. Sebastian Rauch vom Institut für empirische Soziologie der Universität Erlangen-Nürnberg widmete sich der Mobilität von Kindern und Jugendlichen, unter anderem dem Modal Split, dem Anteil der unterschiedlichen Wege-Zwecke sowie der Verkehrsmittelnutzung. Anschließend stellte er einen umfassenden Katalog notwendiger Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor.
Als Fazit forderte Rauch unter anderem, die körperverletzliche Energie im Straßenverkehr zu begrenzen, Geschwindigkeiten zu reduzieren und Konfliktpunkte zu entschärfen.
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„Geht das zu Fuß?“, fragte Wolfgang Packmohr von FUSS e.V. die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in seinem Referat über die Mobilität älterer Menschen, von denen 86 Prozent zu Fuß am Straßenverkehr teilnehmen. Wie berechtigt die Frage ist, stellte er anhand der vielfältigen Hindernisse dar, die sich Personen, die zu Fuß im Straßenverkehr unterwegs sind, in den Weg stellen.
Auch Packmohr forderte die Reduzierung der Geschwindigkeiten innerorts. Der Fußverkehr müsse als gleichberechtigte Mobilitätsform anerkannt und durch Maßnahmen in fünf Handlungsfeldern umgesetzt werde: gesetzliche Rahmenbedingungen, kommunale Planung, Finanzierung und Förderung, Strukturen und Bewusstsein sowie Forschung und Entwicklung.
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Prof. Dr. Reinhilde Stöppler von der Universität Gießen definierte zu Beginn ihres Referates „Bedingungen, die Menschen behindern“, die Barrierefreiheit nach dem Behindertengleichstellungsgesetz.
Dass es bis zur vollständigen Barrierefreiheit noch ein weiter, aber notwendiger Weg ist, wurde anhand der vielfältigen Einschränkungen deutlich. Nur 78 Prozent der Bahnhöfe beispielsweise sind stufenlos erreichbar. Nur 53 Prozent aller Bahnsteige sind mit taktilen Leitsystemen ausgestattet und nur 61Prozent der Linienbusse sind Niederflurbusse.
Ihr Referat schloss Stöppler mit dem Hinweis, dass nicht laufen zu können, Menschen nicht automatisch unglücklich macht; wohl aber eine nicht vorhandene Barrierefreiheit, die sie vom gesellschaftlichen und beruflichen Leben ausschließt.
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Auch eine Gefährdung durch zu hohe gefahrene Geschwindigkeiten behindere Menschen. Darauf wies Prof.em Dr. Bernhard Schlag von der TU Dresden bei seinem Referat über innerstädtische Tempolimits hin. Er forderte zum Schutz der Ungeschützten „Tempo 30“ als Höchstgeschwindigkeit innerorts. Tempo 50 sei dann weiterhin möglich, müsse aber begründet werden.
Schlag stellte die positive Entwicklung der Straßenverkehrssicherheit vor. In den vergangenen 54 Jahren sei die Zahl der Getöteten massiv gesunken: „Lassen Sie uns die Erfolgsgeschichte weiterschreiben mit Hilfe einer effektiven Geschwindigkeitsminderung!“
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Dass auch Nutzer von E-Scootern zu den Ungeschützten im Straßenverkehr gehören, begründete Marco Schäler von der Kommission Verkehr der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er legte den Schwerpunkt in seinem Referat auf die polizeilichen Herausforderungen der Verkehrsüberwachung und Verhaltensverstöße im Straßenverkehr, welche die Fahrerinnen und Fahrer der Elektrokleinstfahrzeuge selbst sowie andere Verkehrsteilnehmer gefährden.
Schäler forderte unter anderem die verpflichtende Ausstattung der E-Scooter mit Fahrtrichtungsanzeigern, die Einführung einer Helmpflicht und die Prüfbescheinigungspflicht.
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Jörg Ortlepp von der Unfallforschung der Versicherer nahm Stellung zum Diskurs, was sicherer ist: der Radweg, der Radfahrstreifen, der Schutzstreifen oder der Mischverkehr auf der Fahrbahn?
Ideal wäre, so Ortlepp, ein eigenständiger Radweg mit niveaufreien Querungen, beleuchtet, in belebter Umgebung, überdacht. Doch in der Realität müssten die Planer jeweils prüfen, welche Radverkehrsfläche die unter den gegebenen Umständen beste ist. Es gebe keine Lösung, die immer passt. Alle Radverkehrsführungsformen der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA) könnten je nach Verkehrsaufkommen, Verkehrszusammensetzung, gefahrenen Geschwindigkeiten und Umfeld zu einer Verbesserung für den Radverkehr beitragen.
Ortlepp wies darauf hin, dass der Rad- und Fußverkehr auf einer gemeinsamen Fläche wenig sinnvoll ist, weil Fußgänger sich dann unwohl fühlen, Sehbehinderte besonders gefährdet sind, weil sich Kinder unvorhersehbar bewegen und der Radverkehr ausgebremst wird.
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„Sind Fußgänger im Straßenverkehr die Störenfriede für die Vision Zero?“ fragte Professor Dr. jur. Dieter Müller von der Hochschule der Sächsischen Polizei. Er kam dabei zu dem Schluss, dass die Fußgänger selbst zwar auch Fehler machen. Aber deutlich mehr Fehler begehen die Fahrzeugführer, die Fußgänger beim Abbiegen oft geflissentlich übersehen und damit deren Vorrang beim Überqueren der Fahrbahn ignorieren. Oder indem sie in viel zu engem Seitenabstand vorbeifahren und ihre Geschwindigkeit nicht einmal dann reduzieren, wenn ein Kind laufbereit direkt am Fahrbahnrand steht. Müller hoffte aber darauf, dass die Kommunen ihr neues Recht intensiv nutzen und überall Geschwindigkeitsbeschränkungen und Fußgängerüberwege anordnen, wo dies neuerdings vereinfacht möglich ist.
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Können Fahrerassistenzsysteme in Pkw und Nutzfahrzeugen einen positiven Beitrag leisten zur Reduzierung der Unfälle mit Menschen, die mit dem Rad und zu Fuß unterwegs sind? Barend Hauwetter vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat ist davon überzeugt und begründete dies eindrucksvoll in seinem Referat „Serienmäßig unverzichtbar“.
Als Beispiele führte er den Notbremsassistenten mit Fußgängerkennung an, den Abbiegeassistenten in Kombination mit dem Notbremsassistenten, den Rückfahrassistenten sowie die smarte Türbremse, die helfen kann, die Dooring-Unfälle zu reduzieren.
Hauwetter zog als Fazit, dass das assistierte und automatisierte Fahren einen wichtigen Beitrag leisten kann auf dem Weg zu Vision Zero. Die Fahrerinnen und Fahrer müssten aber mit ihren Fahrzeugen vertraut sein, die Funktion der Assistenzsysteme kennen, aber auch deren Systemgrenzen sowie ihre eigene Verantwortung bei der Nutzung.
Download Präsentation: ➔ VET-2025-Dok-09_VOD_Assistenzsysteme_Hauwetter.pdf (3.1 MB)
Verkehrsminister Oliver Krischer betonte in seiner Eingangsrede, dass Verkehrssicherheit keine Statistik sei, sondern Menschenschutz. Um das zu schaffen, so Krischer, „brauchen wir viele, die mitarbeiten, Polizei, Kommunen, Schulen, Ehrenamt und jeden Einzelnen von uns. Politik kann Regeln setzen, Programme schaffen, doch umgesetzt wird sie auf der Straße, jeden Tag. Ich danke allen, die dazu beitragen, engagiert und wirkungsvoll. Lassen Sie uns auch in Zukunft alle gemeinsam weitermachen für mehr Sicherheit, für weniger Leid, für Straßen, auf denen alle gut und sicher ankommen.“
Dem konnten sich die Verantwortlichen der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland und alle Anwesenden nur anschließen.
Peter Schlanstein, neu gewählter Vorsitzender der VOD, fasste die Tagung zusammen und bedankte sich bei den Referentinnen und Referenten, der Moderatorin und allen Anwesenden für Ihr Kommen und ihr Engagement.
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Die VOD-Schriftenreihe in der Autorinnen und Autoren Maßnahmen und Strategien zur Verhinderung schwerer Verkehrsunfälle beschreiben. Das Werk präsentierten Ansätze zur Verbesserung der Verkehrssicherheit.
Eine PDF-Version kann kostenlos von der Website der VOD heruntergeladen werden:
➔ https://vod-ev.org/vod-schriftenreihe-nr-2-vision-zero-konkret/
➔ https://vod-ev.org/vod-schriftenreihe-nr-1-verkehrsunfaelle-und-unfallopfer/
Alle Informationen zum Verkehrsexpertentag finden Sie unter unserer Themen-Kategorie:
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Pressekontakt:
Peter Schlanstein Geschäftsführender Vorstand
Verkehrsunfall-Opferhilfe-Deutschland e.V. (VOD)
Hochschule für Polizei
und öffentliche Verwaltung NRW
Abteilung Münster
Nevinghoff 8/10
48147 Münster
pressestelle@vod-ev.org
www.vod-ev.org











