Deutscher Verkehrsexpertentag 2018 – Präsentationen und Vorträge

Dr. phil. Kerstin Auerbach

Dr. phil. Kerstin Auerbach
Dr. phil. Kerstin Auerbach, Dipl.-Psychologin und Verhaltenstherapeutin, arbeitet seit 2004 bei der BASt im Referat „Verkehrspsychologie, Verkehrspädagogik“. Ihre Tätigkeitsfelder sind medizinische und psychologische Unfallfolgen, Rettungswesen, Erste Hilfe und Menschen mit Behinderung.

„Psychische Unfallfolgen – Art, Häufigkeit und Behandlung“

Neben körperlichen Verletzungen können Straßenverkehrsunfälle auch zu ernst zu nehmenden psychischen Beschwerden führen. Bei Schwerverletzten kann davon ausgegangen werden, dass jedes vierte Unfallopfer klinisch relevante Symptome einer Angststörung, Depression oder Posttraumatischen Belastungsstörung zeigt. Bei einem Großteil der Betroffenen sind die psychischen Symptome persistierend.
Manifeste psychische Erkrankungen sind nicht nur aus gesundheitlicher und sozialer, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht bedeutend. Sie sind eine der Hauptursachen für betriebliche Fehltage und führen zu überdurchschnittlich langen Krankschreibungen. Bei Schwerverletzten (z. B. Polytrauma) mit psychischen Folgestörungen ist der Anteil der Frühberentungen besonders hoch. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass sich psychische Beschwerden auf die Mobilität der Betroffenen und ihr Fahrverhalten auswirken und somit auch Einfluss auf die Verkehrssicherheit haben können. Um negativen (Langzeit-) Folgen entgegenwirken zu können, sind das frühzeitige Erkennen psychischer Probleme und deren frühzeitige Behandlung entscheidend.
Tatsächlich besteht hinsichtlich der Versorgungssituation von Unfallopfern mit psychischen Beschwerden noch erhebliches Optimierungspotential. Unzureichende Diagnostik in der Akutsituation, Schwierigkeiten bei der Therapeuten- und/oder Beratungssuche, fehlende Behandlungskapazitäten oder Unterschiede im Versorgungsprozess in Abhängigkeit des verantwortlichen Kostenträgers sind hier beispielhaft zu nennen. Auch die Akzeptanz und Sensibilität in Bezug auf psychische Erkrankungen bei den Betroffenen selbst sowie bei deren Angehörigen und den professionellen Helfern muss gefördert werden.
Ein Ansatzpunkt zur Verbesserung dieser Situation sind Aufklärungsmaßnahmen. Die Bereitstellung von Informationen, beispielsweise zu psychischen Symptomen, adäquaten Behandlungs- und Beratungsangeboten, Rechtsgrundlagen und bestehenden Herausforderungen, kann hier einen wichtigen Beitrag leisten. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) arbeitet derzeit in Kooperation mit dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat e.V. (DVR) und der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland e.V. (VOD) am Aufbau einer entsprechenden internetbasierten Plattform, deren Veröffentlichung für 2019 geplant ist.

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RA Anja Bollmann

RA Anja Bollmann
Nach Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln 1995 und einer Tätigkeit in der Kommunalverwaltung, erfolgte für Anja Bollmann 1996 die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Seit 1999 führt sie in eigener Kanzlei in der Nähe von Köln Verwaltungs- und Rechtsstreite in der ganzen Bundesrepublik bis zum Bundessozialgericht. Überwiegend geht es dabei um Ansprüche aus der gesetzlichen und privaten Kranken- und P egerechtsicherung nach dem Schwerbehinderten-, Unfallversicherungs- und Rentenversicherungsrecht. Ihre anwaltliche Arbeit wird ergänzt durch eine umfassende Vortrags- und Schulungstätigkeit.

„Sozialrechtliche Situation von Verkehrsunfallopfern“

Der Vortrag betrifft die Überlagerung der Verkehrsunfallschadenregulierung durch sozialrechtliche Vorschriften. Das Sozialrecht vereint als Querschnittsmaterie zahlreiche einzelne Rechtsgebiete und Gesetzesmaterien in sich. Bei unfallbedingten Verletzungen kommt die sozialversicherungsrechtliche Leistungsebene zum Tragen. Hier kann der gesetzliche Forderungsübergang dazu führen, dass das Unfallopfer seine Ansprüche selbst nicht mehr geltend machen kann. Zu beachten ist auch der Leistungsumfang der Sozialversicherungsträger. Besteht Eintrittspflicht, deckt die Leistung den tatsächlich entstandenen Schaden nicht immer vollständig ab.

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M. Sc. Muriël Booms

M. Sc. Muriël Booms
Muriël Booms hat ihren Master-Abschluss in Kriminologie an der KU Leuven (Belgien) im Jahr 2017 gemacht. Nach ihrem Studium begann sie am Leuven Institute of Criminology (KU Leuven) in der Forschungslinie ‚Restorative Justice and Victimology‘ zu arbeiten. Ihre Forschungstätigkeit betrifft aktuell hauptsächlich das EU-Projekt „Victims of Road Traffic Offences“.

„Opfer von Verkehrsdelikten – Was brauchen Verkehrsopfer und wie kann damit umgegangen werden?“

Im Jahr 2017 kamen jede Woche 487 Menschen auf europäischen Straßen ums Leben, weitere 2.596 wurden schwer verletzt, was ihr Leben dramatisch veränderte. Diese Zahlen sind enorm und berücksichtigen nicht einmal die Eltern, Partner, Kinder, Freunde und andere Bekannte, die ebenfalls von Kollisionen betroffen sind. Trotz dieser großen Menge an direkt und indirekt geschädigten Personen wird die Viktimisierung im Straßenverkehr oft bagatellisiert und als Kollateralschaden für die Aufrechterhaltung der Mobilität angesehen. Diese Verharmlosung auf sozialer Ebene hat Auswirkungen auf Fachleute, die mit den Folgen von Straßenverkehrsunfällen befasst sind.
Vor diesem Hintergrund haben sich die Partner des von der EU geförderten Projekts „Opfer von Verkehrsdelikten“, Rondpunt (Belgisches [Flämisches] Kompetenzzentrum für alle an einem Verkehrsunfall Beteiligten), und das Leuven Institute of Criminology an der Universität Leuven, Belgien, zum Ziel gesetzt, das Bewusstsein der Professionellen für die Bedürfnisse der Verkehrsopfer zu schärfen, klare Informationen zu entwickeln, die ehrenamtlichen Helfer zu stärken und den Zugang zu allen möglichen Unterstützungsmöglichkeiten zu verbessern. Um die oben genannten Ziele zu erreichen, werden für die europäischen Mitgliedstaaten mehrere praktische Leitfäden, Konzepte und Informationsmittel entwickelt.
Mit der Präsentation wird ein prägnanter Überblick über die identifizierten Bedürfnisse von Verkehrsopfern und deren (hinterbliebenen) Angehörigen gegeben. Im Anschluss daran wird diskutiert, ob diese Bedürfnisse „speziell“ oder „ähnlich“ den Bedürfnissen der Opfer im Allgemeinen (Kriminalitäts-/ Katastrophenopfer) sind. Darüber hinaus wird die Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit für die Erfüllung der herausgearbeiteten Bedürfnisse besprochen. Neben der Erläuterung des Konzepts und seiner Relevanz wird auch dargestellt, wie und auf welcher Ebene die interdisziplinäre Zusammenarbeit umgesetzt werden kann. Der eher theoretische Überblick wird durch gute praktische Beispiele aus mehreren europäischen Mitgliedstaaten ergänzt.
Die wesentliche Botschaft dieses Vortrags zeigt die entscheidende Rolle auf, die alle Kräfte der Rettungskette für die Opfer von Kollisionen im Straßenverkehr spielen. Die Arbeit, die sie individuell leisten, ist sehr wichtig. Wenn sie aber zusätzlich mit den anderen Fachleuten der Rettungskette so eng wie möglich kooperieren, können sie eine noch wichtigere Rolle bei der Bewältigung der Probleme der Verkehrsunfallopfer und deren Angehörigen spielen.

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Dr. med. Wolfram Hell

Dr. med. Wolfram Hell
Dr. med. Wolfram Hell arbeitet am Institut für Rechtsmedizin der Universität München in der Abteilung für Verkehrssicherheit und ist der 1. Vorsitzende, der Gmttb e.V. (Gesellschaft für Medizinische und Technische Traumabiomechanik D-A-CH).

„Traumabiomechanische Analyse von Verkehrsunfällen.
Wege zu Vision Zero in Deutschland“

Seit den 70iger Jahren ist die Zahl der Verkehrstoten von über 20.000 auf 3.300 (2017) in Deutschland gesunken. Dennoch stagniert die Entwicklung seit 2010, wo nahezu 3.600 Menschen ums Leben kamen. Das Ziel des BMV, -40% der Verkehrstoten von 2010 bis 2020, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit leider nicht erreicht werden können. Die Zielvorgabe für 2020 würde 2.160 Verkehrstote betragen. Eine noch höhere Anzahl stellen die sog. Schwerstverletzten dar, die als Polytrauma mit einem ISS Wert > 16 oder als Intensivpatienten bezeichnet werden: Hier wurden für das Jahr 2010 ca. 12.000 Personen vom Traumaregister geschätzt. Ca. 70.000 Patienten werden als Schwerverletzte (Aufenthalt 24 Std. im Krankenhaus) gezählt. Das bedeutet für das Jahr 2010 pro Monat: 5.800 Schwerverletzte, 1.000 Schwerstverletzte und 300 Getötete.
Die Philosophie der Schwedischen Vision Zero von Claes Tingvall, jetzt 20 Jahre alt, ist den Schwerpunkt auf die möglichst vollständige Vermeidung von Getöteten und Schwerstverletzen zu setzen. Hier gibt es keine Schuldfrage mehr, sondern die Systemdesigner, also die Verkehrsplaner und Fahrzeugkonstrukteure, sind für einen sicheren Verkehr verantwortlich. Es sollte ALLES Menschenmögliche getan werden, um Schwerstunfälle möglichst vollständig zu verhindern. Aus diesem Grund werden in Schweden seit 1997 ALLE Verkehrsunfälle mit Todesfolge untersucht und JEDEM Unfall mögliche Verbesserungsmaßnahmen nach der Haddon Matrix MENSCH – FAHRZEUG – UMFELD zugewiesen. Nach 6 Monaten wird dann kontrolliert, ob mögliche Maßnahmen auch umgesetzt worden sind. Extrem effizient in Schweden ist beispielsweise die Fahrbahntrennung von Landstraßen mit einer Reduktion der Verkehrstoten um 90%. Ebenso sind Kreisverkehre anstelle von T-Kreuzungen hochgradig effektiv. Insgesamt müssen die Straßenbauer mehr interdisziplinär in Unfallanalysen und -vermeidung einbezogen werden.
Aktuelle Unfallszenarien für Deutschland und Ideen zur weiteren Reduktion von Verkehrstoten und Schwerstverletzten werden vorgestellt.

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Helena Hüttemann

Helena Hüttemann
studierte Polizeivollzugsdienst an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung NRW, Münster. Im August 2018 beendete sie das Studium mit der Bachelorarbeit „Versorgung von somatischen und psychischen Verkehrsunfallfolgen“.
Seit September 2018 versieht sie ihren Dienst als Polizeikommissarin in der KPB Warendorf.

„Versorgung von somatischen und psychischen Verkehrsunfallfolgen“

Verkehrsunfälle sind in der heutigen Gesellschaft fester Bestandteil des alltäglichen Lebens. Die tägliche Konfrontation mit dem zu oft verharmlosten „Tatort Straßenverkehr“ ist ein möglicher Grund dafür, dass die große Mehrheit der Gesellschaft kein Bewusstsein für das Gefahren- und Schadenrisiko im Straßenverkehr, einschließlich der evtl. daraus entstehenden weiteren Folgen, hat. Als Folgen treten neben somatischen auch psychische Verletzungen auf, dessen Ausprägung unabhängig von der Schwere des Unfalles ist. Das Schicksal von Verkehrsunfallopfern wird in der Gesellschaft meist subjektiv schwächer gewichtet, als das Leid von Verbrechensopfern. Die bereits gefertigte Bachelorarbeit stellt ausschließlich die Problematik der Versorgung von somatischen und psychischen Verkehrsunfallfolgen dar. Zusätzlich wird die finanzielle und rechtliche Unterstützung bzgl. der Versorgung von Unfallopfern berücksichtigt. Ziel ist es, ein realitätsnahes Bild der grundsätzlichen Bedürfnisse von Verkehrsunfallopfern und den zu deren Erfüllung notwendigen Leistungen zu entwickeln. Die Versorgung und Unterstützung von Verkehrsunfallopfern sollen näher beleuchtet bzw. analysiert und der Blickwinkel der Gesellschaft auf die Verkehrsunfallopfer soll vergrößert werden. Es wird auf Problematiken eingegangen, welche sich seitens der Polizei bereits am Unfallort ergeben. Ebenso werden Unzulänglichkeiten hinsichtlich der ärztlichen Behandlung in Krankenhäusern und im weiteren Rehabilitationsverlauf in der Pflege analysiert. Auch befasst sich die Arbeit mit der Unterstützung von Hilfsangeboten und der Geltendmachung von Ansprüchen. Eine engere Zusammenarbeit z. B. zwischen der Institution Polizei und den Krankenhäusern wird genauso thematisiert, wie die besondere Bedeutung der Kostenübernahme durch die Versicherungen. Mit Hilfe dieser Aspekte gilt es die Frage zu beantworten, inwiefern Verbesserungspotenzial hinsichtlich der medizinischen, psychischen und rechtlichfinanziellen Versorgung von Geschädigten nach einem schweren Verkehrsunfall besteht und ausgeschöpft werden sollte. Die Beantwortung dieser Frage basiert hauptsächlich auf Experteninterviews mit Rechtsanwälten, Hilfsorganisationen, einem Arzt und der Leitung einer Einrichtung für Intensivpflege sowie Gesprächen mit Unfallopfern. Anhand dieser ist ein umfangreiches Verbesserungspotenzial hinsichtlich der Versorgung von Verkehrsunfallopfern festzustellen. Um in einem ersten Schritt die Versorgungslücken schließen zu können, müssen unter anderem Gesetze reformiert werden. Institutionen wie Polizeibehörden, Hilfsorganisationen und Krankenhäuser sowie Versicherungsträger haben dem aufbauend, insofern zu reagieren, als dass Verkehrsunfallopfer wirksamer versorgt und unterstützt werden. Eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten ist langfristig zielführend.

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EPHK Achim Jaspers

EPHK Achim Jaspers
EPHK Achim Jaspers ist aktuell Pressesprecher der KPB Kleve. Zuvor war er unter anderem Wachleiter, Dienstgruppenleiter einer Leitstelle und Dienstgruppenleiter in Polizeiwachen der Kreispolizeibehörde Kleve, seit 1995 Lehrbeauftragter an der FHöV NRW in den Fächern Verkehrslehre und Verkehrsrecht. Er arbeitet im Projekt „Ein Jahr danach“ und ist im Bereitschaftsdienst Opferschutz seit dessen Einrichtung im Jahr 2001 tätig.

„Polizeilicher Opferschutz – das Klever Modell“

Die Kreispolizeibehörde Kleve hat in Zusammenarbeit mit der evangelischen Landeskirche in den Jahren 1999 und 2000 das Projekt „Ein Jahr danach“ durchgeführt. Insbesondere die im Rahmen des Projekts geführten Gespräche mit Angehörigen und Betroffenen brachten eine Vielzahl von Bedürfnissen, Wünschen und Fragen von Beteiligten und Angehörigen schwerstverletzter und getöteter Personen hervor. Die zahlreichen Gespräche haben gezeigt, dass Unfall sowie Tod nahestehender Personen aus Sicht von Angehörigen unwirklich und das Bedürfnis nach Information unerfüllt geblieben waren.
Mit dem Ziel, die Qualität von Opferbetreuung und Unfallaufnahme zu steigern sowie Betroffene, Zeugen und Ersthelfer zu stabilisieren, wurden die Ergebnisse des Projektes 2001 mit einer themenbezogenen Dienstanweisung und Einführung der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) „Schwerer Verkehrsunfall“ sowie der Einrichtung des Bereitschaftsdienstes Opferschutz umgesetzt. Bei polizeilichen Einsatzanlässen mit lebensgefährlich verletzten oder getöteten Personen wird seitdem der Bereitschaftsdienst Opferschutz durch die Leitstelle alarmiert. Die Kräfte des Bereitschaftsdienstes übernehmen im Einsatzfall die Aufgaben im Einsatzabschnitt Opferschutz. Zu diesen gehören unter anderem die zeitnahe Benachrichtigung von Angehörigen und Bezugspersonen, die Übergabe von persönlichen Gegenständen, das Ermöglichen eines zeitnahen Abschiednehmens, das Treffen von Maßnahmen zur Vermeidung von Eigen- und Fremdgefährdung sowie die zeitnahe Kontaktaufnahme mit Ersthelfern und Zeugen. Die Aufgabenwahrnehmung der Kräfte des Bereitschaftsdienstes geschieht regelmäßig mit Einbindung der Notfallseelsorge.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereitschaftsdienst Opferschutz werden durch behördeninterne Fortbildung unter Einbindung von externen Fachleuten qualifiziert. Wochenweise versehen zwei Beamtinnen/Beamte den Bereitschaftsdienst. Die derzeit rund 30 Angehörigen kommen direktionsübergreifend aus verschiedensten Dienststellen der Behörde. Für die Kräfte des Bereitschaftsdienstes werden regelmäßig Supervisionen angeboten.
Die in mittlerweile über 15 Jahren gewonnenen Erfahrungen und die zahlreichen Rückmeldungen von Betroffenen zeigen, dass durch die Aufgabenwahrnehmung im Bereitschaftsdienst die im Ergebnisbericht des Projektes „Ein Jahr danach“ dargelegten Ziele weitestgehend erreicht werden können.

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Stefanie Jeske

Stefanie Jeske
Stefanie Jeske ist die Gründerin und 1. Vorsitzende von subvenio e. V., welcher sich mit Aufklärung, Prävention, Unterstützung und Beratung für Unfallopfer beschäftigt.

„Folgeschäden durch zeitnahe Unterstützung verhindern“

Die unfallbedingten Verletzungen setzen für die Betroffenen nicht selten das bisherige Verständnis von Sicherheit und Selbstbestimmung außer Kraft. Die plötzlich eingetretene Hilflosigkeit stellt eine enorme Herausforderung für alle Beteiligten dar.
Die möglichen Grundvoraussetzungen und die daraus völlig individuell entstehenden Fragen in derartigen Situationen sind vielfältig. Welche Handlungen und Lösungen notwendig sind, hängt von etlichen Faktoren ab. Beispielhaft: Verfügt der Betroffene über familiäre Anbindung, ist er mit seiner Not alleine, hat er Verpflichtungen, die dringenden Handlungsbedarf erfordern usw.? Neben den Problemen im gesundheitlichen Bereich werden die Betroffenen mit der Tatsache konfrontiert, dass sie der Situation ausgeliefert sind und von keiner Seite die Unterstützung erhalten, die sie in dieser desolaten Lage dringend benötigen. Sie fühlen sich ausgeliefert und ungerecht behandelt, die Gefahr von zusätzlichen psychischen Beeinträchtigungen wächst mit jedem Tag. Dies wiederum kann zur Folge haben, dass weitere somatische Beschwerden auftreten.
Ein langer Leidensweg entsteht.
Wir können den Unfall und die daraus resultierenden Verletzungen nicht rückgängig machen. Wir können aber verhindern, dass die Betroffenen zusätzliches, unnötiges Leid erfahren.
Es müssen verbindliche Lösungen geschaffen werden. Lösungen, die verhindern, dass die Übernahme der Verantwortung immer wieder abgelehnt werden kann. Je länger sich der Genesungsweg gestaltet, desto höher werden die Kosten für alle Beteiligten.
Diese Lösungen können wir nur gemeinsam und auf Augenhöhe erarbeiten. Tage wie diese, Tage an denen wir uns im Kollektiv austauschen um dieses gesellschaftliche Problem aus der trügerischen „Einzelfalllüge“ zu befreien, tragen erheblich dazu bei.

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Dr.-Ing. Heiko Johannsen

Dr.-Ing. Heiko Johannsen
Dr.-Ing. Heiko Johannsen promovierte im Fachgebiet Kraftfahrzeuge zum Thema Bauchverletzungen und war von 2000 bis 2014 Mitarbeiter im Fachgebiet Kraftfahrzeuge der TU Berlin im Bereich Fahrzeugsicherheit und Fahrzeugkonzepte. Seit 2014 ist er stellvertretender Leiter und Leiter der Verkehrsunfallforschung der Medizinischen Hochschule Hannover.

„Langzeitfolgen von Verkehrsunfällen basierend auf Unfallerhebungen am Unfallort in Hannover“

In der amtlichen Unfallstatistik werden Unfallfolgen mit der Höhe des Sachschadens und der Verletzungsschwere, die auf der Art der Behandlung basiert, also unverletzt, leicht verletzt (ambulant behandelt), schwer verletzt (stationär behandelt) und getötet, angegeben. Hierbei werden nur die akuten, kurzfristigen Unfallfolgen berücksichtigt. In der Detailunfallforschung wird die Verletzungsschwere mit Hilfe der Abbreviated Injury Scale (AIS), der vereinfachten Verletzungsskala, detaillierter beschrieben, aber die angewandte Metrik betrachtet, wie in der amtlichen Unfallstatistik, nur die unmittelbaren Verletzungsfolgen. Die AIS gibt den Grad der Lebensbedrohung einer einzelnen Verletzung an. Andere Langzeitfolgen als der Tod werden hierbei nicht berücksichtigt.
Es gibt zahlreiche Untersuchungen zu Langzeitfolgen von schweren Verletzungen in Folge von Verkehrsunfällen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass auch leicht Verletzte bzw. Unverletzte ebenfalls an Langzeitfolgen von Verkehrsunfällen leiden.
Im Rahmen eines statistischen Stichprobenplans werden durch die Unfallforschung der Medizinischen Hochschule Hannover Verkehrsunfälle der Region Hannover analysiert. Die Stichproben sind so ausgelegt, dass die Fälle weitestgehend repräsentativ für Verkehrsunfälle mit Personenschaden in Deutschland sind. Hierzu werden Unfälle aller Verletzungsschweregrade einbezogen. Seit dem Unfalljahr 2013 werden alle Unfallbeteiligten, die ihr Einverständnis zur Datenspeicherung abgegeben haben, circa ein Jahr nach dem Unfall schriftlich zu den aktuellen Folgen des Unfalls befragt. Der verwendete Fragebogen ist einerseits möglichst kurz gehalten, erfragt aber andererseits alle Oberthemen aus dem Standardinstrument SF36 zur Beurteilung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität einer Person, wie beispielsweise Schmerzen, allgemeine Gesundheit, soziale Funktionsfähigkeit und psychisches Wohlbefinden. Weiterhin werden Fragen zu Behinderungen, Medikamenteneinnahme, Dauer der Krankschreibung etc. pp. gestellt. Sofern bestimmte Fragen positiv beantwortet werden, wird der jeweilige Teilnehmer gebeten, an einer späteren detaillierteren Studie teilzunehmen.
Die Untersuchungen zeigen, dass Langzeitfolgen auch bei unverletzten und leicht verletzten Unfallbeteiligten beobachtet werden können. Dies betrifft sowohl körperliche Langzeitfolgen, wie Schmerzen, als auch beispielsweise psychische Langzeitfolgen, wie ängste.

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Dipl. Geogr. ́in Jacqueline Lacroix

Dipl. Geogr. ́in Jacqueline Lacroix
Dipl. Geogr. ́in Jacqueline Lacroix ist Leiterin des Referats Europa und Verkehrsmedizin im Deutschen Verkehrssicherheitsrat. Sie hat an der Universität Köln die Schwerpunkte Wirtschaftsgeografie, Entwicklungsländer und Verkehrswissenschaft belegt. Sie leistet Lobbyarbeit auf europäischer Ebene, arbeitet bei EU-Projekten mit und hält Vorträge im In-und Ausland zu diversen Themen der Verkehrssicherheit. Zudem ist sie Koordinatorin des Vorstandsausschusses Verkehrsmedizin.

„Das Projekt REVIVE des Europäischen Verkehrssicherheitsrates (ETSC) – aktueller Sachstand“

Ein funktionierendes Rettungswesen und eine gute Versorgung der Patienten nach einem Verkehrsunfall erhöhen die Überlebensrate der Betroffenen. Laut Forschungsergebnissen verringert die Verkürzung der Zeitspanne zwischen dem Unfallgeschehen und der Ankunft der Rettungskräfte von 25 auf 15 Minuten die Sterbewahrscheinlichkeit um ein Drittel. Die Unterschiede des „Post-Accident-Care“, also der Versorgung der Unfallopfer, sind innerhalb der EU groß. Obwohl die gute Versorgung der Unfallopfer als wichtiger Bestandteil einer Verkehrssicherheitsstrategie erachtet wird, wird sie in einigen EU-Staaten nicht mit konkreten Maßnahmen begleitet.
Mit dem Projekt REVIVE möchte der ETSC daher den Kenntnisstand über das Rettungswesen und der Versorgung der Verletzten innerhalb der EU erhöhen. Dazu sollen Verfahrensweisen im Rettungswesen einzelner EU-Länder dokumentiert werden und Strategien, die als wirksam identifiziert wurden, kommuniziert werden. Mit dem Ziel, gute Praktiken in der EU zu ermitteln und zu fördern, sollen Kontakte zwischen den Verkehrssicherheitsexperten und Experten aus dem Bereich des Rettungswesens und des Gesundheitssektors aufgebaut werden, um den Informations- und Wissensaustausch zu erleichtern.
Für die Umsetzung des dreijährigen Projekts, das von Toyota Motor Europe finanziell unterstützt wird, sind fünf „Runde Tische“ in verschiedenen Regionen Europas organisiert worden. Drei haben bereits stattgefunden. Es ist vorgesehen, fünf Fallstudien zu veröffentlichen, um Praxisbeispiele zu skizzieren. Im Rahmen einer Videoreportage soll darüber hinaus die Bedeutung eines effizienten Rettungswesens für die Verkehrssicherheit erläutert und im Rahmen einer großen internationalen Konferenz in Brüssel all diese Ergebnisse einem breiten Publikum gegen Ende der Projektlaufzeit nahegebracht werden.

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Prof. Dietmar Otte

Prof. Dietmar Otte
Prof. Dietmar Otte ist Honorarprofessor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, ehemaliger Leiter der Verkehrsunfallforschung an der Medizinischen Hochschule Hannover und Gastwissenschaftler an der Unfallchirurgischen Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover. Seit 2016 ist er Leiter der BIOMED-TEC, welche interdisziplinäre forensische Begutachtungen durchführt.

„Einfluss der Geschwindigkeit auf die Verletzungsschwere bei Verkehrsunfällen mit Personenschaden und Bedeutung von somatischen und psychischen Verletzungsfolgen aus Sicht interdisziplinärer Begutachtungen“

Der Einfluss der Geschwindigkeit: Bei Unfällen besteht die technisch-physikalische Grundlage aus den Weg-Zeit-Zusammenhängen bei Reaktions- und Bremsweg. Die kinetische Energie bei Kollisionen wird somit von der Geschwindigkeit bestimmt. Sie ist bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 70 Kilometern pro Stunde doppelt so hoch wie bei 50! Auch im Falle von Gefahrsituationen im Straßenverkehr wird die erforderliche Zeit dadurch erhöht und Vermeidbarkeitsmöglichkeiten werden verspielt. Die Verletzungsschwere wird durch die während der Kollision übertragene Energie und die sodann auf die jeweiligen Körperpartien wirkenden Belastungen induziert. Letztere können zwar durch konstruktive Gestaltung beeinflusst werden und damit an der Verletzungsminderung mitwirken, doch bleibt der Geschwindigkeitsfaktor in der Eintrittswahrscheinlichkeit schwerer Verletzungen bedeutsam.
Die Ist-Situation: Etwa 5 Prozent aller bei Verkehrsunfällen verunglückten Personen werden schwerstverletzt (MAIS 3+), dies sind ca. 20% aller Schwerstverletzten (stationär im Krankenhaus Behandelte). Unfallanalysen zeigten für diese Schwerstverletzten ein deutlich höheres Geschwindigkeitsniveau als für die sonst Schwerverletzten, so Otte et al: bei 60% der verunfallten schwerstverletzten Fußgängern lag eine Geschwindigkeit bei Kollision von über 30 km/h vor, 60% der schwerstverletzten Motorradfahrer verunfallten unter Relativgeschwindigkeiten von über 50 km/h und 60% der PKW-Insassen erfuhren trotz Sicherheitsgurt und schützender Knautschzone unter Frontalkollision eine Unfallschwere in Form der kollisionsbedingten Geschwindigkeitsänderung (Delta-V als Maß für die Kollisionsschwere) von über 50 km/h.
Bedeutung von Langzeitfolgen: Verletzungsschwere kann als eine reine Definition einer bestimmten Verletzungsfolge angesehen werden. Der Patient empfindet durch eine Verletzung u.a. Schmerz, Ausfall von Arbeitsleistung, Ausfall an Freizeit, Lebensfreude und monetärer Einschränkungen. Die eingetretene Verletzung orientiert sich an den sichtbaren, tastbaren und radiologisch erkennbaren Verletzungen, soweit sie ärztlich und im Bild gebenden Verfahren nachweisbar sind. Dennoch treten auch Einschränkungen auf, die in Form von Schmerzverarbeitung, psychischen und psychologischen bzw. psychosomatischen Folgen im Rahmen der Genesung in Erscheinung treten und damit insgesamt den Heilungsverlauf und die Heilungsdauer beeinträchtigen. Daneben führen auch nicht vollständig ausgeheilte Verletzungen zu zum Teil erheblichen Langzeitfolgen, die über Monate oder Jahre oder gar ohne vollständige Rehabilitation verbleiben.
Sicherheitskonzepte wie Sicherheitsgurt, Knautschzone, Airbags, ABS und ESP geben Sicherheit und bilden den wesentlichen Beitrag zum heute gültigen hohen Sicherheitsstandard, sie führten zu der derzeit geringsten Zahl an jährlich zu registrierenden Verkehrstoten. Doch die immer noch mit über 3.000 jährlichen Toten und mit über 70.000 Schwerverletzten (Jahr 2017, Quelle Destatis) erfordern dringend weitere Maßnahmen, u.a. die weitere Entschärfung und Sicherheitsgestaltung der Außenkonturen von PKW und LKW und eines verstärkten Sicherheitsbewusstseins der Motorradfahrer durch Nutzung von Schutzkleidung. Vor allem aber besitzt die Wahl einer angepassten Fahrgeschwindigkeit für alle Verkehrsteilnehmer eine wichtige Rolle im sicherheitsbewussten Verhalten des Verkehrsteilnehmers. Dadurch können Verletzungen und auch Langzeitfolgen wirksam gemindert werden.

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Prof. Dr. jur. habil Anja Schiemann

Prof. Dr. jur. habil Anja Schiemann
Prof. Dr. Anja Schiemann ist Fachgebietsleiterin des Fachgebiets Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminalpolitik an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster.

„Kooperation für die optimale Versorgung von Verkehrsunfallopfern: Das Projekt Dreiklang“„Staatliche Opferhilfe und -entschädigung: auch bei Verkehrsunfällen?“

Erläuterung der aktuellen Opferentschädigungsmöglichkeiten und deren Grenzen
Es gibt diverse Möglichkeiten für Verkehrsunfallopfer, Entschädigung zu erhalten. Eine Möglichkeit bietet das Opferentschädigungsgesetz, das in den dort gesetzlich normierten Fällen zu einem staatlichen Entschädigungsanspruch führt. Voraussetzung eines Entschädigungsanspruchs ist eine gesundheitliche Schädigung infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen, tätlichen Angriffs. Unter Umständen werden nach dem Gesetz auch psychische Schäden, insbesondere „Schockschäden“, ersetzt. Allerdings ist das Opferentschädigungsgesetz gem. § 1 Abs. 11 OEG nicht anzuwenden „auf Schäden aus einem tätlichen Angriff, die von dem Angreifer durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers verursacht worden sind.“ Dadurch werden alle mittels Kraftfahrzeug verübten Anschläge, wie bspw. der Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheitplatz, vom Opferentschädigungsgesetz nicht erfasst
In solchen Fällen kann das Verkehrsunfallopfer ggf. eine Entschädigung in Form eines Härteausgleiches erlangen. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass sich aus der Anwendung des Gesetzes eine besondere Härte im Einzelfall ergibt, die sich auch nach lückenschließender Interpretation und Auslegung des Gesetzes nicht vermeiden lässt. Der Ausschluss der Entschädigungsleistung muss zudem ein krasser Ausnahmefall, d.h. nicht vom Gesetzgeber voraussehbar, sein. Dies ist bei Amok- und Terrorfahrten der Fall. So wurden beispielsweise bislang ca.1,8 Mio. € an die Anschlagsopfer von Berlin 2016 ausgezahlt.
Neben der staatlichen Entschädigung können Verkehrsunfallopfer ihre zivilrechtlichen Ansprüche gegen den Unfallverursacher im Wege des Adhäsionsverfahrens geltend machen oder zivilrechtliche Klage erheben. Haben Verkehrsunfallopfer keinerlei Ansprüche gegen den Fahrer, Halter oder Eigentümer des Fahrzeugs, den Schadensversicherer oder einem Versicherungsverband, können sie ggf. eine Entschädigung aus dem „Entschädigungsfonds für Schäden aus Kraftfahrzeugunfällen“ erhalten.
Der Koalitionsvertrag der 19. Legislaturperiode sieht eine Änderung des Opferentschädigungsgesetzes vor. Es soll eine Anpassung der Normen an die Bedürfnisse der Opfer von Gewalt-, einschließlich Terrortaten erfolgen und psychische Gewalt grundsätzlich in den Gewaltbegriff mit einbezogen werden. Des Weiteren sollen neue Leistungen der Sofort- bzw. Akuthilfen gewährt werden.

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