Beweiserleichterungen im Schadensfall

Quellenhinweis: Polizei NRW

Beweiserleichterung bei Schadensersatzansprüchen nach Unfällen im Straßenverkehr:

Auszug aus dem Bericht
„Schadensersatzforderungen bei Verkehrsunfällen“
der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (WD 7 – 3000 – 087/17 vom 12. Dezember 2017

Der Geschädigte trägt dem gegenüber entsprechend den allgemeinen Grundsätzen die Beweislast für den Ursachenzusammenhang zwischen dem Betrieb des vom Fahrzeugführer „geführten Kraftfahrzeuges und dem Unfall. Er muss beweisen, dass sich der Unfall bei dem Betrieb dieses Kraftfahrzeuges ereignet hat (BGH VersR 1976, 927; … ). Hierbei helfen ihm die Regeln des Anscheinsbeweises. Der vermutete Verstoß gegen eine Verhaltensvorschrift der StVO und das nachfolgende Schadenereignis (der Unfall), den die Vorschrift nach ihrem Schutzzweck verhindern sollte, begründen den ersten Anschein für den erforderlichen Kausalzusammenhang (BGH VersR 1964, 1182; 1969, 719; OLG Hamm VersR 2005, 1303; OLG Koblenz VersR 2006, 1383). Ferner hat der Geschädigte die haftungsausfüllende Kausalität zu beweisen, also den Zusammenhang zwischen Unfall und Schadenfolge, was ihm § 287 ZPO erleichtert (BGH VersR 1983, 985).“[1]

Nach § 287 ZPO[2] entscheidet, wenn unter den Prozessparteien streitig ist, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen.

Sinn und Zweck dieser Regelung ist, die normalen Darlegungs- und Beweisanforderungen insbesondere im Falle der Entstehung und der Höhe eines Schadens in mehrfacher Hinsicht zu ermäßigen und so zu verhindern, dass materiell berechtigte Schadensersatzansprüche an prozessualen Anforderungen scheitern.[3]

Mit der Einführung von § 287 ZPO trug der Gesetzgeber Erfahrungen Rechnung, wonach sich das Verlangen eines lückenlosen Nachweises von Schaden und Schadenshöhe durch den Geschädigten im Einzelfall als rechtsvereitelnd erweisen kann:

„Hintergrund dieses Normzweckes ist, dass der Schadensersatzprozess des gemeinen Rechts wegen seiner vom Geschädigten verlangten lückenlosen Nachweise nach formellen Beweisregeln verrufen war. Der Gesetzgeber wollte durch § 287 eine umfassende Abhilfe bezüglich dieser Schwierigkeiten schaffen. (…) Es geht … darum, für das Beweismaß und das Beweisverfahren Erleichterungen zu schaffen, ohne dass einerseits eine Beschränkung allein auf die Schadenshöhe vorgenommen wäre, ohne dass aber auch abschließend geklärt wäre, wie das „ob“ des Schadens in § 287 vom Bereich des § 286 im Einzelnen abzugrenzen sei (…). (…) Zu Recht sieht die h. M. in § 287 eine Beweismaßsenkung gegenüber § 286 … Als Besonderheiten bleiben in § 287 … die Erleichterungen beim Beweisverfahren … und insbesondere die Beweismaßreduzierung im Bereich der Schadenshöhe. Hier sind insbesondere Beweiserleichterungen erforderlich, soweit in der Schadensberechnung ein besonderer Ermessensspielraum enthalten ist (wie z. B. beim Schmerzensgeld) oder es sich um eine hypothetische Schadensberechnung handelt (wie z. B. beim entgangenen Gewinn gemäß § 252 BGB). Aber auch in allen anderen Fällen, in denen einer Beweiserhebung über die Schadenshöhe besondere Schwierigkeiten entgegenstehen oder der Beweis einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, kann § 287 herangezogen werden. Der Richter darf hierbei also in Kauf nehmen, dass seine richterliche Schätzung keine exakte Schadensberechnung ist und deshalb mit der (möglicherweise nur fiktiv vorhandenen) wirklichen Schadenshöhe nicht übereinstimmen muss.“[4]


Quellenhinweise:

[1] Kaufmann, in: Geigel, Haftpflichtprozess, 27. Auflage 2015, 25. Kapitel Rdn. 333.

[2] Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S.431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch Artikel 11 Absatz 15 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert worden ist.

[3] Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 287 Rdn. 1.

[4] Prütting, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 287 Rdn. 2 f.


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