Die nordrhein-westfälische Polizei wird künftig mit der Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland e.V. (VOD) zusammenarbeiten, um die Betreuung von Unfallopfern zu verbessern. Im Rahmen einer durch die Polizei unterstützen Aktionsveranstaltung hat die VOD durch ihren Vorsitzenden, den emeritierten Psychologie-Professor Dr. Wilfried Echterhoff, am 11. Mai 2017 im Düsseldorfer Medienhafen den Kooperationsvertrag mit Innenminister Ralf Jäger, besieget.
Konkret geht es darum, den Opfern von Verkehrsunfällen und ihren Angehörigen innerhalb der ersten 24 Stunden nach einem Unfall Hilfe anzubieten. „Denn gerade in dieser Phase wird die Unterstützung am dringendsten gebraucht“, betonte Jäger. Alle 47 NRW-Polizeibehörden stellen Ansprechpartner, die schnell und professionell helfen und Betroffene an die VOD-Netzwerkpartner vermitteln. „Deshalb ist die Kooperation ein wichtiger Schritt“, erklärte der Minister.
In NRW starben im vergangenen Jahr 523 Menschen im Straßenverkehr. Rund 13.600 verletzten sich bei Unfällen schwer. „Jeder Verkehrstote, jeder Verletzte ist einer zu viel. Deshalb dürfen wir nicht dabei nachlassen, für mehr Sicherheit zu sorgen“, sagte Jäger.
Der VOD vermittelt als Dachverband bundesweit die richtigen Ansprechpartner: Wo gibt es psychologische Hilfe? Wer hilft bei Behördengängen? „Unsere Aufgabe ist es, gerade dann weiterzuhelfen, wenn es kompliziert wird“, erläuterte der VOD-Vorsitzende Wilfried Echterhoff. „Nach einem Unfall ist für die Opfer nichts mehr wie vorher. Ihnen muss geholfen werden, und zwar schnell, kompetent und unbürokratisch“, sagte Innenminister Ralf Jäger bei der Unterzeichnung des Kooperationsvertrags.
Ein Unfall bedeutet einen Albtraum für nahezu jeden Verkehrsteilnehmer. Unfallopfer haben nach solch einem Ereignis nicht selten erhebliche physische und psychische Probleme. Neben den körperlichen Verletzungen und den damit verbundenen, oft kaum aushaltbaren Schmerzen muss ein verunglückter Mensch sich unter anderem mit dauerhaften psychischen, sozialen, juristischen und finanziellen Nachwehen auseinandersetzen.
Dazu gehören etwa die Koordination und das Verstehen körperlicher Heilmaßnahmen, Verwaltungsaufgaben, Nachvollziehen des Unfallablaufs, der Umgang mit dem Arbeitgeber, dem Unfallverursacher, den beteiligten Versicherungen, der Zukunftssicherung sowie schweren Entscheidungen und das Geltendmachen von Schadensansprüchen oder die Wiedereingliederung in den beruflichen Alltag.
Die Gefahr von Depressionen, Verzweiflung, Hilf- und Mutlosigkeit aufgrund einer langwierigen stationären medizinischen Heilbehandlung ist groß. Hierdurch wird das Selbstbewusstsein wesentlich beeinträchtigt. Zudem kann eine Entfremdung von Familie und Freunden erfolgen. Dass die Berufstätigkeit entweder gar nicht oder kurz- beziehungsweise längerfristig nicht mehr ausgeführt werden kann, führt in einigen Fällen zusätzlich zu einer sozialen Desintegration. Nicht selten resultiert daraus auch der Verlust der sozialen Stellung. Diese Prozesse tragen wesentlich zur dissozialen Entwicklung des Unfallverletzten bei.
Der Geschädigte sowie seine Verwandten und Freunde müssen bei besonders schwerwiegenden und dauerhaften Verletzungen lernen, mit der neuen, oft komplizierten Situation umzugehen. So erfordert es die Hilfe und Unterstützung aller Beteiligten. Aus diesem Grund wird die Beziehung zwischen dem Verkehrsunfallopfer und seinem sozialen Umfeld wesentlich auf die Probe gestellt. Nicht alle Beziehungen können den enormen Belastungen standhalten.
Neben den schwerwiegenden psychischen, physischen und sozialen Beeinträchtigungen nach einem Unfall haben die verletzte Person sowie die Angehörigen noch zahlreiche weitere organisatorische Maßnahmen zu treffen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt häufig ein jahrelanger, nervenaufreibender und zermürbender Kampf mit dem Rechts- und Versicherungssystem zur Regulierung der Schäden.
Die vielseitigen Unfallfolgen und Stolpersteine sind für das ohnehin geschwächte Unfallopfer und dessen Angehörige in der Regel ohne Unterstützung nicht zu bewältigen. Für viele problembehaftete Lebensbereiche stehen dem Bürger ein Netz von Beratungsstellen oder gesetzliche Regelungen zur Verfügung – nicht jedoch für Verkehrsunfallopfer.
Während Opfer von Gewalttaten umfangreiche Hilfsangebote (zum Beispiel Weißer Ring e.V.) in Anspruch nehmen oder vom gesetzlich geregelten Opferentschädigungsanspruch u. a. nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) Gebrauch machen können, werden für Verkehrsunfallopfer keine staatlichen Hilfemaßnahmen eingeleitet, und dies selbst dann nicht, wenn es um die Existenz eines unschuldig in Not geratenen Unfallopfers geht. Aus diesem Grund liegt es nahe, dass sich viele Verkehrsunfallopfer mit ihren Problemen im Stich gelassen fühlen.
Ein flächendeckendes, engmaschiges Netzwerk an qualitativ hochwertigen Ansprechstellen für Verkehrsunfallopfer vor Ort erscheint daher als eine unerlässliche Voraussetzung für eine angemessene Beratung und Unterstützung Hilfebedürftiger.
Die Verkehrsunfall-Opferhilfe Deutschland e.V. (VOD), ist ein 2011 in der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) gegründeter Dachverband, dem sich u. a. bereits mehrere wichtige Institutionen angeschlossen haben:
- Automobil-Club Verkehr (ACV)
- Bundesverband der Motorradfahrer e.V. (BVDM)
- Björn Steiger Stiftung
- Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie e.V. (DGVP)
- Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol)
- Deutsche Kinderhilfe e.V.
- Deutsche Polizeigewerkschaft im DBB (DPolG)
- Deutsche Verkehrswacht e.V. (DVW)
- Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV NRW)
- Fachverband Psychologie für Arbeitssicherheit und Gesundheit e.V. (FV PASiG)
- Gesellschaft für Medizinische und Technische Traumabiomechanik e.V. (GMTTB)
- Gesellschaft für Ursachenforschung bei Verkehrsunfällen e.V. (GUVU)
- Gewerkschaft der Polizei (GdP)
- Institut für Psychologische Unfallnachsorge (ipu)
- subvenio e. V. Unfallopferhilfe
Gemeinsam mit der VOD wollen die angeschlossen Einrichtungen sich für die Erreichung der beiden Ziele des bundesweiten Dachverbandes einsetzen, einerseits die Verkehrssicherheit weiterhin zu erhöhen und andererseits die Betreuung von Unfallopfern stärker auszubauen, so dass sich die schwierige Lage der im Straßenverkehr Verunglückten verbessert.