Verkehrs­politische Forder­ungen der VOD

Politische Rahmenbedingungen zur Verkehrsunfall-Prävention verbessern

  1. Die Verkehrs­sicher­heits-Strategie Vision Zero im Straßen­ver­kehrs­recht verankern

In Deutschland wurde die Vision Zero im Jahr 2021 in Ziffer 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) als „Grundlage aller verkehrlichen Maßnahmen“ aufgenommen. Das ist zwar erfreulich, doch die VOD fordert eine Festschreibung der Vision Zero im Straßenverkehrsgesetz. Angesichts der Bedeutung des Themas Verkehrssicherheit wäre dies aus Sicht der VOD angemessen und würde der Umsetzung dieser Sicherheitsstrategie besondere Schubkraft verleihen. Die vom Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vorgegebene Schutzpflicht des Staates muss im Verkehrssektor stärker zur Geltung kommen. Der Gesetzgeber hat dazu die Weichen zu stellen. Die Politik scheut jedoch diesen Schritt, da die Umsetzung damit gesetzlich festgeschrieben, also einklagbar wäre.

  1. Verkehrs­unfall­statistik

Die Verkehrsunfall-Analyse ist insbesondere durch Auswertung digitaler Daten aus Kfz zugunsten der Strafrechtspflege, zur Gewinnung neuer Präventionsansätze und für den Opferschutz zu verbessern. Eine detaillierte aussagekräftige Statistik des Verkehrsunfallgeschehens ist als Grundlage der Verkehrsunfallforschung unverzichtbar. Im Jahr 2023 hat das Statistische Bundesamt den Umfang der in dieser Statistik ausgewerteten Daten eingeschränkt. Dies erschwert die künftige Forschung und damit die Unfallprävention. Die VOD setzt sich dafür ein, den bisherigen Datenumfang der Verkehrsunfallstatistik wiederherzustellen.
Die Qualität der polizeilichen Verkehrsunfallaufnahme bildet die wesentliche Grundlage für die Wahrung der Integrität des Rechts in der Strafrechtspflege, für die objektive Klärung von Haftungsfragen sowie für die Realisierung des Opferschutzes und zugleich für eine künftige Verbesserung der Verkehrssicherheit. Bislang erfolgte die polizeiliche Aufnahme von Verkehrsunfällen maßgeblich durch Erhebung objektiver und subjektiver Befunde wie Brems- und Schleuderspuren, Beschädigungen, Deformationen, Verletzungen und Aussagen von Beteiligten sowie Zeugen.
Für moderne Fahrzeuge mit Assistenzsystemen ist diese konventionelle Betrachtung nicht mehr ausreichend. Sie vermindert sichtbare Spuren, die den Unfallablauf leicht und relativ sicher erklären könnten; zugleich werden im Fahrzeug elektronische Daten hinterlegt, die präzise technische Fakten für die Analyse eines Unfalls liefern könnten. Deshalb setzt sich die VOD dafür ein, die Auswertung digitaler Daten aus Kfz nach der europäischen „General Safety Regulation (GSR)“ zur Unfallforschung und -analyse zu verbessern und das gegenwärtig bestehende ausdrückliche Verbot der Aufzeichnung von Ort, Datum und Zeit eines Unfalls aufzuheben. Sie kooperiert dabei u. a. mit dem Europäischen Verkehrssicherheitsrat (ETSC) und mit dem Deutschen Verkehrsgerichtstag, zuletzt durch einen entsprechenden Arbeitskreis im Jahr 2023. Wie bei anderen Verkehrsarten (Bahn, Schiff und Flugzeug) muss auch im Straßenverkehr ein vorgeschriebener Unfalldatenspeicher zu seinem innewohnenden Zweck tatsächlich verwendet werden.

  1. Geschwindigkeitsbegrenzungen 30 – 80 – 130

Die VOD ist sich einig mit anderen Organisationen der Verkehrs­sicherheit und fordert als generelle Höchst­geschwindig­keiten: Tempo 30 innerorts, Tempo 80 auf Landstraßen und Tempo 130 auf Autobahnen. Unangemessene Geschwindigkeit ist auf allen Straßen ein großer Risikofaktor. In Deutschland überschreitet immer noch eine große Zahl von Autofahrenden die vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeiten auf Landstraßen, obwohl automatische Überwachungssysteme wie Radarkameras und Streckenabschnittskontrollen verfügbar sind und sich als zuverlässig erwiesen haben. Niedrigere gesetzlich vorgeschriebene und wirksam überwachte Höchstgeschwindigkeiten – innerorts 30 km/h und auf Landstraßen 80 km/h - könnten viele Verkehrstote und Schwerstverletzte vermeiden. Gleiches gilt für ein Tempolimit (z. B. 130 km/h) auf Autobahnen, für das die VOD sich ebenfalls in einem 2018 gemeinsam mit dem Europäischen Dachverband der Verkehrsopfer (Fédération Européenne des Victimes de la Route – FEVR) verabschiedeten Manifest einsetzt.

  1. Selbstbestimmte Anordnung von Tempo 30 durch Städte und Kommunen

Die Entscheidung, wo Tempo 30 sinnvoll angeordnet werden kann, sollte den Kommunen überlassen werden. Bei fast der Hälfte aller auf innerstädtischen Straßen verletzten Menschen handelt es sich um Rad Fahrende oder zu Fuß Gehende, also besonders vulnerable Gruppen. Niedrigere Fahrgeschwindigkeiten verringern die Anzahl und Folgen von Unfällen, sie geben Zeit, Fehler zu korrigieren, und fördern so einen gleichmäßigeren, sichereren und umweltverträglicheren Verkehr. Die VOD unterstützt im Rahmen der vorgesehenen Novellierung von Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung die Forderung, mehr Flexibilität und Freiheit für die Städte bei Geschwindigkeitsbegrenzungen auf 30 km/h zu ermöglichen. Das entspricht dem Votum der Verkehrsministerkonferenz (zuletzt am 11./12. Oktober 2023) und von mittlerweile über 1.000 Städten, Gemeinden und Landkreisen, die vor Ort mehr Tempo 30 einrichten wollen.

  1. Verstärkte Sanktionen bei Verkehrs­verstößen

Bei besonders verkehrssicherheitsrelevanten Verkehrsverfehlungen (namentlich Geschwindigkeits-, Abstands- oder Überholverstöße) sollten unter Berücksichtigung des jeweiligen Gefährdungspotenzials und der Verkehrssituation die Sanktionen verstärkt werden. Strafen bei allgemeiner Kriminalität, wie z. B. Diebstahl oder Körperverletzung, werden im Vergleich mit Sanktionen bei Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr, sogar unter Gefährdung oder Schädigung anderer, teilweise verzerrt wahrgenommen: „Opfer des Straßenverkehrs“ werden zu häufig ausgeblendet und damit auch das Leid der Verunglückten – nicht nur bei Verkehrsunfalltoten, sondern auch bei körperlichen oder psychischen Verkehrsunfallfolgen, die teilweise lebenslang andauern. Wenn im Straßenverkehr sicherheitsrelevante Regelungen wie z. B. Tempolimits extrem häufig nicht eingehalten werden, wird das Rechtssystem nicht ernst genommen. Doch auch im Straßenverkehr würden „spürbare Sanktionen“, die über eine überschaubare Geldbuße oder ein „Knöllchen“ hinausgehen, keine schnell verpuffende, sondern eine nachhaltige Wirkung entfalten. Die VOD fordert deshalb, bei riskantem Verhalten (beispielsweise bei Tempoverstößen in Bereichen mit großem Fußgänger-Querverkehr) die Generalprävention zu stärken. Ein entsprechender Arbeitskreis „Sanktionen bei Verkehrsverstößen" wurde auf Antrag der VOD beim Deutschen Verkehrsgerichtstag 2018 eingerichtet. Danach sollte eine „spürbare Anhebung der Geldbußen, verbunden mit verstärkter Androhung von Fahrverboten für besonders verkehrssicherheitsrelevante Verkehrsverfehlungen (namentlich Geschwindigkeits-, Abstands- oder Überholverstöße) unter Berücksichtigung des jeweiligen Gefährdungspotenzials und der Verkehrssituation“ erfolgen. Die Umsetzung lässt noch auf sich warten, weshalb die VOD diese weiterhin einfordert.

  1. Verbot der Teilnahme am Verkehr unter Cannabis­einfluss

Die durch den Gesetzgeber vorgenommene Anhebung des Grenzwerts für Cannabis von 1,0 Nanogramm (ng) THC auf 3,5 ng / ml Blutserum bereitet für die Verkehrssicherheit Anlass zu Sorge. Die Grenzwerterhöhung erweckt den Eindruck, als sei es unbedenklich, unter Cannabiseinfluss Auto zu fahren. Im Jahr 2024 hat der deutsche Gesetzgeber den Gebrauch der Droge Cannabis in bestimmtem Umfang legalisiert. Neue Studien, wie u. a. eine retrograde Vollerhebung und -auswertung aller einschlägigen Blutprobenergebnisse der Jahre 2021 bis 2023 in Rheinland-Pfalz, zeigen, dass auch geringere THC-Werte das Fahrverhalten erheblich beeinflussen können, was eine Anpassung des Grenzwerts nach unten erforderlich erscheinen lässt. Besonders problematisch ist der Mischkonsum von Cannabis und Alkohol, der das Unfallrisiko massiv erhöht. Selbst bei niedrigen THC-Werten und geringem Alkoholgehalt steigen Unfallgefahr und Schwere der Verletzungen signifikant. In verschiedenen Ländern, die Cannabis legalisierten, stieg nach der Legalisierung die Zahl tödlicher Verkehrsunfälle, was den Bedarf an strengeren Regelungen unterstreicht. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag 2025 resümierte, die Erhöhung des THC-Grenzwertes berge Gefahren für die Verkehrssicherheit und zahlreiche Probleme für die Arbeit von Polizei, Fahrerlaubnisbehörden und Begutachtungsstellen. Die VOD setzt sich deswegen im Sinn der „Vision Zero“ gemeinsam mit vielen anderen Partner-Organisationen dafür ein, die Teilnahme am motorisierten Verkehr unter Cannabiseinfluss weiterhin streng zu verbieten und den Grenzwert für die Konzentration des Cannabiswirkstoffs THC im Blutserum wieder auf 1 ng zu reduzieren.

  1. Beibehaltung des Mindestalters für die Erlaubnis zum Führen schwerer Last­kraft­wagen

Um schwerwiegende negative Folgen für die Verkehrssicherheit zu vermeiden, sollte das Mindestalter für Berufsfahrer von Lastkraftwagen und Reisebussen in den Führerscheinklassen D und DE nicht auf 19 Jahre gesenkt werden. Durch eine neue europäische Regelung soll es den Mitgliedsstaaten der EU ermöglicht werden, das Mindestalter für die Erlaubnis zum Führen schwerer Lastkraftwagen herabzusetzen, obwohl wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass von sehr jungen Lkw-Fahrern oder -Fahrerinnen eine deutlich erhöhte Unfallgefahr ausgeht. Die VOD und ihre europäischen Partnerorganisationen haben sich gegenüber Mitgliedern des Deutschen Bundestags und des Europäischen Parlaments dafür eingesetzt, das bisherige Mindestalter beizubehalten.