VOD Positionspapier

Wofür wir stehen:

1. Präambel

Die Anzahl der registrierten Verkehrsunfälle mit Personenschaden in Deutschland ist nach wie vor alarmierend hoch. Im Jahr 2014 wurden nahezu 390.000 Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr verletzt, und fast 3.400 Menschen verloren ihr Leben. Von den jährlich über 65.000 Schwerverletzten müssen etwa 15.000 Menschen um Ihr Überleben kämpfen und werden unter Umständen ihr Leben lang an den Folgen zu leiden haben. Damit werden im Straßenverkehr in Deutschland so viele Menschen durch Außeneinwirkung an Leib und Leben geschädigt, wie das in keinem anderen Lebensbereich der Fall ist.

In der Verkehrsunfallstatistik bemisst sich der Schaden einer Person regelmäßig an dem Ausmaß ihrer körperlichen Verletzungen. Unberücksichtigt in der Bilanz bleiben dabei die Häufigkeit und Schwere psychischer Beeinträchtigungen, die aus Verkehrsunfällen resultieren. Die psychischen Beschwerden können dabei allein oder in Kombination mit körperlichen Verletzungen auftreten.

Ein Verkehrsunfall unterbricht insbesondere bei schwerem Personenschaden die bisherige Kontinuität des Lebens. Die gewohnte Lebensordnung, vertraute Rolleninhalte, das bisherige Wertesystem, die Lebenszielplanung sowie die gesamte persönliche Identität können plötzlich infrage gestellt werden.1

Unfälle sind in der Regel keine schicksalhafte, unvermeidbare Nebenerscheinung der Mobilität, sondern in den meisten Fällen die Folge vermeidbaren menschlichen Fehlverhaltens. Neben Hunger, kriegerischen Auseinandersetzungen und Krankheiten stellt der Straßenverkehr damit weltweit eine der größten humanitären Katastrophen dar, welche insbesondere die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft betrifft.2

1 Klose, E (1999): Bewertung von Einflüssen auf Unfallopfer, in: Verkehrspsychologie auf neuen Wegen: Herausforderungen von Straße, Wasser, Luft und Schiene: 37. BDP-Kongress für Verkehrspsychologie des Berufsverbandes Deutscher und Österreichischer Psychologinnen und Psychologen und der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen, Bd. 1, 310-318

2 Commission for Global Road Safety: Make Roads Safe, A Decade of Action for Road Safety, London 2011, 4.

2. Was wir wollen

Als Dachverband der Verkehrsunfall-Opferhilfe in Deutschland kooperiert die VOD mit entsprechenden Einrichtungen und Initiativen und will diese durch Rat sowie nationale und internationale Kooperationsarbeit und auch mit Geld fördern.

Mitglieder der VOD sind deutsche Organisationen und Verbände sowie Selbsthilfeeinrichtungen. Gemeinsam mit den durch sie vertretenen wichtigen Institutionen ist die VOD bestrebt, die Lebensbedingungen von Verkehrsunfallopfern spürbar zu verbessern, aber auch die Verkehrsbedingungen so verändern, dass es immer weniger Opfer gibt.

Zu diesem Zweck arbeitet die VOD sowohl national als auch im internationalen Verbund, das heißt innerhalb der Europäischen Union und zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die sich seit Jahren der Verkehrssicherheit angenommen hat.

Die VOD ist unabhängig, Sachfragen werden durch die VOD ohne Ansehen der beteiligten Personen und ohne Rücksichtnahme auf politische Ansichten behandelt und beantwortet.

3. Reduzierung der Opferzahlen im Straßenverkehr

Ein wesentliches Ziel der VOD ist es zunächst, einen Beitrag zu leisten, Verkehrsunfälle mit schweren Folgen zu verhindern. Die VOD steht somit unverrückbar zur „Vision Zero“. Auch die qualitative und quantitative Reduzierung von Verkehrsunfallschäden ist für die VOD daher eine wichtige Aufgabe.

Durch zielgerichteten Erkenntnisgewinn im Wege der Forschung, durch Vernetzung mit politischen Entscheidungsträgern und die Erarbeitung konkreter Handlungsempfehlungen soll die Verwirklichung dieses ambitionierten Ziels gefördert werden. Dazu gehört auch, die notwendige finanzielle Unterstützung für diese wichtige Aufgabe zu akquirieren.

Die VOD konzentriert sich bei der Opfervermeidung auf folgende Handlungsfelder:

  • Der wichtigste Faktor im Straßenverkehr ist und bleibt der Mensch. Deshalb müssen die Aktivitäten zur Unfallvermeidung sich vor allem auf die besonders gefährdeten Verkehrsteilnehmer und solche mit hohem Risikopotential konzentrieren. Das erfordert zugleich, die Verkehrsteilnehmer adäquat auszubilden, zu informieren und auch zu überwachen.
  • Den unfallträchtigen menschlichen Defiziten gegenüber ist soweit wie möglich durch ein sicheres Verkehrssystem und eine Fehler verzeihende Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur sowie verkehrsbehördliche Maßnahmen vorzubeugen.
  • Alle Fahrzeuge müssen im Rahmen der technischen Möglichkeiten so konstruiert sein, dass die Aufgabe ihrer Steuerung möglichst einfach ist, Fehler der Fahrer kompensiert und bei einem Unfall alle Beteiligten bestmöglich geschützt werden.
  • Die Polizei ist zu befähigen, ihre Aufgaben in der Bekämpfung von Verkehrsunfällen effektiv, effizient und bürgernah zu erfüllen. Nur aus einer qualifizierten polizeilichen Verkehrsunfallaufnahme lässt sich die Verantwortlichkeit für den Schaden klären – und lernen, die Wiederholung eines solchen Unglücks vermeiden.
  • Mobilitäts- und Verkehrssysteme sollen dem Menschen dienen und ihm einen sicheren und komfortablen Lebensstandard sichern. Deshalb sind die Verkehrsbedingungen systemisch grundlegend so zu verbessern, dass es immer weniger Opfer gibt.
  • Fraglich erscheint auch, ob es auf Dauer Bestand haben soll, dass der Gesetzgeber die fast ausschließliche Verantwortung für die Sicherheit dem einzelnen Nutzer von Verkehrs- und Mobilitätssystemen zugewiesen hat.

4. Rehabilitation von Verkehrsunfallopfern

Opfer von Verkehrsunfällen sind nach dem Verständnis der VOD neben den unmittelbar Verletzten z. B. auch die weiteren Beteiligten, Zeugen, Ersthelfer, Polizeibeamte, welche aufgrund ihrer Erlebnisse am Unfallort teilweise lange Zeit unter traumatischen Belastungen zu leiden haben.

Zur Gruppe der Opfer gehören ebenfalls Angehörige sowie das gesamte soziale Umfeld, deren seelisches Leid in der öffentlichen Diskussion so gut wie gar nicht wahrgenommen wird, aber auch diejenigen, die durch eine Unachtsamkeit einen großen Schaden angerichtet haben, also selbst die Schädiger und oft auch selbst Geschädigte sind.

Die VOD sieht dringenden Handlungsbedarf, die Rechtsstellung sowie die physische und psychische Rehabilitation aller Opfer von Verkehrsunfällen grundlegend zu verbessern.

Dieser Handlungsbedarf besteht nach Auffassung der VOD insbesondere in folgenden Bereichen:

  • Für die angemessene Wiedergutmachung der eingetretenen Folgen sowie die künftige Vermeidung von Verkehrsunfällen stellt eine qualitativ hochwertige Sachverhaltserforschung die wesentliche Grundlage dar. Hierzu müssen bundesweit vergleichbar hohe Standards in Ausbildung und Technik für die polizeiliche Unfallaufnahme und -bearbeitung geschaffen werden.
  • Die VOD ist bestrebt, Vorschläge zu entwickeln, wie die Rahmenbedingungen der Verkehrsunfallopferbetreuung und -versorgung in Deutschland so optimiert werden, dass die bestmögliche gesundheitliche und angemessene finanzielle Wiederherstellung der Opfer gewährleistet ist. Nur auf diese Weise lässt sich eine sekundäre Viktimisierung der Betroffenen vermeiden.
  • Ein Verkehrsunfallopfer soll nicht Monate und Jahre lang um berechtigte Versicherungsleistungen kämpfen müssen. Fraglich erscheint, warum Opfer faktisch die Beweislast für die Schäden zugewiesen bekommen. Teilweise hat sich eine Verkehrung des ursprünglichen Sinns einer Haftpflichtversicherung eingeschlichen. Deshalb sollten Versicherer nicht weiterhin berechtigte Leistungen an Verkehrsopfer auf Dauer verschleppen dürfen.
  • Ein flächendeckendes, engmaschiges Netzwerk an und qualitativ hochwertige Ansprechstellen für Verkehrsunfallopfer vor Ort sind unerlässliche Voraussetzung für eine angemessene Beratung und Unterstützung Hilfebedürftiger. Die VOD unterstützt zu diesem Zweck ihre Mitgliedsorganisationen vor allem durch politische Aktivitäten, Beteiligung an Forschungsprojekten sowie durch fachliche Impulse u. a. im Rahmen von Netzwerktreffen oder Symposien.